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Jochen Missfeldt: Sturm und Stille

Besprechung

Es ist die Geschichte einer unerhörten Leidenschaft und die Geschichte eines Frauenlebens im 19. Jahrhundert. Der Roman des Autors einer Biografie Storms beruht auf Fakten, Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Texten aus Storms Werk, besonders den Liebesgedichten für Doris. Es spricht zu Beginn der alte Gustav Hasse, bekannt aus Missfeldts Romane „Solsbüll“ (1989), der gleichzeitig neu aufgelegt wurde, hier ein Jugendfreund von Doris Jensen, und bittet seine Freundin Do von ihrer Liebe zu erzählen. Die Behauptung, dass, wer am Meer aufwächst, das „Phantasieren und Lieben“ früh lerne, soll das aus Fakten und fiktiven Ergänzungen errichtete Konstrukt rechtfertigen. Auch als die Ich-Erzählerin beginnt, ihre Geschichte aus der Perspektive einer kritischen („Mit kleinen Mädchen hatte er es...“, S.91) alten Dame zu erzählen, rechtfertigt sie sich und distanziert sich selbst von dem, was ihr die Erinnerung vielleicht verfälscht vorspielt. Storm, der wie sie zu den angesehenen Familien Husums gehört, begann kurz nach seiner Heirat mit Constanze Esmarch eine leidenschaftliche Beziehung mit der 15jährigen Doris, die er schon als Kind gerne betrachtet und gestreichelt hatte. In der kleinen Stadt und dem engen sozialen Umfeld ließ sich die Affäre nicht verbergen. Klar, dass es die junge Frau war, die Konsequenzen ziehen musste: Constanze erwartete das erste Kind und Doris verließ Husum für 15 Jahre. Sie wechselte, von den ihren und Storms Eltern gesteuert, mehrmals die Arbeitsverhältnisse als Haushälterin. Jedes Mal musste sie sich neu bewähren und ein Selbstbewusstsein entwickeln, auch wenn der Grund ihrer Abwesenheit von zu Hause allen bekannt war. In längeren Abständen traf sich das Paar trotzdem und jedes Mal flammte die Leidenschaft wieder auf. Auch begegneten sich zwangsläufig die Ehefrau und die Geliebte, was für beide sehr schwierig war. Der einzige, der unbelastet von alldem scheint, ist der kaum zu Wort kommende Storm.

Als Constanze bei der Geburt des siebten Kindes stirbt, heiratet Storm Doris, 17 Jahre nach Beginn der Beziehung.

Didaktische Hinweise

Storms Gedichte gehören neben den Novellen zu den schönsten der Epoche. Ihren mehr oder weniger expliziten Spuren (Motive, Figuren) in dem Romane zu folgen ist eine schöne Aufgabe. Fontanes „Unwiederbringlich“ geht auf das EheDramen auf Schloss Holkenis zurück, das Doris unmittelbar miterlebt. Die Landschaft der Nordseeküste spielt eine große Rolle. Die romantische Metaphorik von Wetter und Gefühlen klingt nicht nur im Titel an. Die moralische Frage nach dem Recht der Liebe über die bürgerliche Wohlanständigkeit wird von der erzählenden Figur mehrfach aufgeworfen. Der Leser fragt sich unaufhörlich, wie der als Rechtsanwalt Karriere machende und erfolgreiche Autor den Zwiespalt ertragen und das Unglück seiner Frauen mit ansehen konnte. Eine Aufgabe könnte sein, eine Szene des Buchs aus einer anderen Perspektive, zum Beispiel der von Storms Vater (der zu seiner Tochter, die Lehrerin werden will, sagt: „Gelehrt ist verkehrt.“) oder gar der Constanzes zu schreiben. Die dem Dichtergenie untergeordnete Rolle der Frau wird angesprochen: „Wir Mädchen mussten uns wappnen für die Entsagungen...“ (S.27), die Erzählerin stellt sich der erzwungenen Rolle der Wartenden aus ihrer Sicht trotzdem bewusst.

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

Erscheinungsjahr

2017

ISBN

9783498045206

Umfang

349 Seiten

Medien

  • Buch