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Peter Buwalda: Bonita Avenue

Besprechung

Der Plot allein, erzählt aus verschiedenen Perspektiven, ist schon spektakulär: ein Mann, Siem Sigerius, verlässt Frau und Sohn, um mit der Nachbarin und deren beiden Töchtern zusammenzuleben. Er ist ein Autodidakt der Mathematik, macht Karriere an Universitäten, zunächst in Berkeley, wo die neue Familie in der Bonita Avenue zwei glückliche Jahre verlebt, dann als Rektor einer Universität in den Niederlanden, nahe Enschede. Der Sohn lebt nach dem Tod der alkoholabhängigen Frau zwei Jahre mit der Familie seines Vaters, bis er wegen Belästigung einer Nachhilfelehrerin verurteilt und ins Gefängnis gesteckt wird.

Das ist, wie sich am Schluss herausstellt, der innere Wendepunkt ins Unglück. Tochter Joni war vom Vater zu einer Falschaussage gegen den Sohn gezwungen worden. Später betreibt sie mit ihrem Freund Aaron eine Pornoseite im Internet, kommt zu sehr viel Geld, wird vom Vater bei eigenen Spaziergängen auf Pornoseiten entdeckt und trennt sich von Aaron, dessen Schizophrenie nach der Explosion der Feuerwerksfabrik, dem äußeren Wendepunkt des Dramens, in der Nähe seines Wohnhauses neu ausbricht. Der Vater entdeckt den Produktionsort der Pornos in der Wohnung des Paars, flüchtet aber vor der Auseinandersetzung mit einem filmreifen Sprung durch eine Glastür, wird bald darauf Minister und bringt seinen Sohn, der ihn erpresst, und schließlich sich selbst um. Joni trennt sich von ihrem schizophrenen Freund, um in Amerika zunächst ein Praktikum zu machen, ein Kind (von Aaron) zu bekommen und eine gigantische Pornofabrikation aufzuziehen.

Hinter immer drastischer werdenden Szenen der äußeren Handlung verbirgt sich ein tiefes Unglück, das die geschilderten Menschen in sich vergraben, um nach Außen das Bild einer bürgerlichen Familie abzugeben. Der einzige trübe Fleck scheint der in sexuelle Aberration und Kriminalität bis zum Mord abrutschende Sohn zu sein. Je mehr der Vater dessen Existenz abzuspalten sucht, desto stärker brechen die negativen Energien bei ihm und anderen auf. Sigerius lebt mit seiner Frau in einem asexuellen Verhältnis, er unterhält kurze Zeit eine platonische und folgenlose Beziehung zu einer jungen Studentin, die auf der Ebene des Mail-Austauschs bleibt, und er treibt sich im Internet auf Pornoseiten herum. Seine Energien fließen in den Judo-Sport, der ihn auch mit Aaron verbindet. Beide treiben regelmäßig und intensiv Sport miteinander, auch als das Beben die Familie bereits erfasst hat. Sigerius' Frau, die im Roman keine eigene Stimme erhält und im Hintergrund bleibt, tischlert erfolgreich Möbel im geschmackvoll eingerichteten Landhaus und frisst sich fett. Mit der Kreissäge in ihrer Werkstatt zersägt Sigerius am Ende seinen Sohn. Die Tochter Joni, die einzige Ich-Erzählerin im Roman, erwartet ein Kind von dem Mann, von dem sie sich gerade getrennt hat, findet ihren Exfreund in völliger Verwahrlosung und schwer psychotisch vor, gerade als sie beschlossen hat, ihre Familie mit dem ungeborenen Kind wieder zusammenzuführen. Sie lebt dann eine Weile in Kalifornien mit dem Sohn und einem älteren Liebhaber, der seinerseits unfruchtbar sich nach einem Kind gesehnt hat, lässt den Sohn bei ihm und stürzt sich als Darstellerin und Produzentin in die Pornoindustrie ...Vom Ende her erhält die Anfangsszene vielfältige Bedeutung: Sigerius begrüßt den neuen Freund seiner Stieftochter und erkennt ihn sofort als den Urheber eines Fotos, das ihn nackt bei einer akademischen Sportveranstaltung zeigt. Das Foto wurde trotz der Peinlichkeit ein Erfolg in Unikreisen und überall abgebildet. Die Drohung bleibt unverstanden: es ist auch die Macht der Medien, des Internets insbesondere, die diese Familie zerstört. Unausgelebte Sexualität und in einen Kampfsport abgespaltene Aggressivität ziehen sich durch diesen gewaltigen Familienroman.

Didaktische Hinweise

Der Roman enthält drastische Szenen, wobei die literarische Überformung und der innere Zusammenhang, in dem sie sich befinden, die Lektüre auch für junge Erwachsene ermöglichen. Entsprechende Darstellungen in Filmen und Videospielen und deren Wirkung sollte man ansprechen, da sie zumindest einigen Schülern bekannt sei dürften. Thema kann die Möglichkeit einer Verfilmung sein: Was ist das Problem? Welche Techniken gibt es, die psychologische Ebene hervorzuheben? Vergleiche mit Franzens „Korrekturen“ werden von der Kritik hergestellt. Die Technik des Perspektivenwechsels und der verschiedenen Zeitebenen kann thematisiert werden.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Englisch

Erscheinungsjahr

2013

ISBN

9783498006723

Umfang

639 Seiten

Medien

  • Buch