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Stewart O'Nan: Henry, persönlich

Besprechung

Ein alternder Mann blickt zurück und entdeckt die kleinen Freuden des Lebens

Der deutsche Titel ist die wörtliche Übersetzung von „Henry himself“, was ein leiser Hinweis darauf ist, dass es schon zwei Vorläufer-Romane gab. Die spielten nach Henrys Tod und handelten vom Leben der Familie Maxwell („Wish you were here”, 2002) und Henrys Frau Emily („Emily alone”). Nun also Henry selbst: Ein personaler Erzähler vermittelt die Sicht des sympathischen Pittsburgher Pensionisten auf seine kleine Welt. Er vermisst seine Arbeit als Ingenieur und Projektmanager auch nach mehr als zehn Jahren noch, er liebt seine Frau und seine zwei inzwischen erwachsenen Kinder, Margret und Kenneth, und deren Ehepartner und Kinder und er ist ein geschickter Heimwerker. Er strukturiert seinen Alltag wie seine Arbeit zuvor, indem er sich „Projekte“ vornimmt. Es gibt noch den Hund Rufus, Nachfolger der früheren Familienhunde, auch er beginnt Alterserscheinungen zu zeigen. Außerdem fährt Henry gern in das Sommerhaus in Chautauqua, spielt Golf mit Freunden, selten auch mit Emily, und genehmigt sich des Öfteren ein Bierchen oder einen Scotch. Ganz unbemerkt schleichen sich in seine Wahrnehmung kleine Unpässlichkeiten und Aussetzer ein und er denkt immer öfter daran, wie es sein wird, wenn er nicht mehr da ist, vor allem wie seine Frau zurechtkommen wird. Die ist allerdings ziemlich selbstständig, wie man zu ahnen beginnt. Eine gemeinsame Sorge macht ihnen zu schaffen: die Kinder. Ken arbeitet wenig erfolgreich als Photograph, die Schwiegertochter Lisa versteht sich nicht mit Emily und Margret hat Alkohol- und Eheprobleme. Es entsteht ein sehr detailliertes Bild von einem sympathischen Amerikaner der Endneunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts aus dem Mittelstand einer Industriestadt des Swingstate Pennsylvania, seinem Alltag, seiner Vergangenheit, zum Beispiel prägenden Kriegserlebnissen, die er zum großen Teil niemandem erzählt hat und seinen Gedanken, die um das Säen des Rasens, sein eigentlich viel zu großes Auto, die Vorbereitungen für Familienfeste und Sommerurlaub und seine immer noch lebendige Liebe zu seiner Frau Emily kreisen. Gegen Ende des Romans feiern Emily und Henry Maxwell ihren 49. Hochzeitstag und denken jeder für sich schon an die Goldenen Hochzeit im Jahr darauf. Dass die nicht mehr stattfinden wird, erfährt man in diesem Roman nicht, er endet damit, dass Henry einen Moment des Glücks erlebt.

Didaktische Hinweise

Man kann Vergleiche anstellen mit ähnlichen Porträts typischer Amerikaner, z.B. von Upton Sinclair oder, allerdings kritischer, von Sinclair Lewis, dessen „Babbitt“ (1922) ein Muster-Amerikaner der Phase der Industrialisierung und des Aufschwungs nach dem Ersten Weltkrieg ist. Die Stadt Pittsburgh und der Staat Pennsylvania sind im Hinblick auf Sozialstruktur und Wahlverhalten Ende der Neunziger Jahre und 2016 zu untersuchen. Henry besetzt noch die klassische Rolle eines Familienoberhauptes, wobei das Bild zu bröckeln beginnt. Die drei Romane zusammen genommen bilden eine Art Familienepos: „Wish you were here“ ist aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der restlichen Familienmitglieder erzählt, in „Emily alone“ ist Henry nur eine blasse Erinnerung.

Alle hier rezensierten Werke von Stewart O'Nan

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Englisch
  • Deutsch

FÜZ

  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2019

ISBN

9783498001216

Umfang

479 Seiten

Medien

  • Buch