mobile Navigation Icon

#lesen.bayern » Bücher für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene » Besprechungen Belletristik » (Kinder-) Kriminalliteratur, Thriller (Horror, Gruselliteratur)

Ferdinand von Schirach: Verbrechen. Stories

Besprechung

Ferdinand von Schirach ist Anwalt in Berlin und erzählt nach eigener Aussage hier wahre Geschichten, wenn auch zum Schutz von Beteiligten und Überlebenden in verfremdeter Form. Die Leserin/der Leser erfährt dabei mehr als die reinen Plots, es geht auch um die Aufgaben und das Ethos des Rechtsanwalts und immer wieder um die Fragen nach Schuld, Unschuld, Sinn und Unsinn von Strafe. Dieser Ansatz ist neu und interessant und macht den zusätzlichen Reiz der Geschichten aus, wobei der als Ich-Erzähler auftretende Anwalt manchmal etwas sehr edel und souverän erscheint. Inhaltlich bieten die Geschichten ein großes Gesellschaftspanorama: Der gutbürgerliche Arzt, die russische Prostituierte, der Politiker, der Industrielle, Jugendliche aus Migrantenfamilien, Staatsanwälte und Polizeibeamte, Berufsverbrecher, sie alle tauchen in Schirachs Geschichten auf, in denen es ansonsten um Geld, Ehre, Liebe, Angst, Hass und Verzweiflung geht. Wie grausam es im Verbrechermilieu zugeht, wird in „Tanatas Teeschale“ verdeutlicht, die Geschichte ist nichts für schwache Gemüter. „Der Äthiopier“ dagegen hat fast unglaublich viel Glück, er verdankt es im Grunde seinem cleveren und engagierten Anwalt. Jede Geschichte ist anders, z. B. ist „Der Dorn“ vor allem die psychologische Skizze eines Mannes, der als Museumswärter mit äußerster Langeweile und Reizarmut zurechtkommen muss und auf ungewöhnliche Weise darauf reagiert. Das Buch ist ein interessantes Leseangebot, jedoch auf Grund der Inhalte (Gewalt, Sex) nur für die Oberstufe geeignet. Einige der Geschichten sind gut vorstellbar für eine Besprechung im Unterricht, z. B. „Fähner“, „Der Igel“, „Der Dorn“, „Der Äthiopier“.

Didaktische Hinweise

Hinweise zum Unterricht:Der relativ geringe Umfang, der spannende Inhalt und die Lebensnähe machen einige der Geschichten zum idealen Unterrichtsgegenstand, z. B. die erste Geschichte „Fähner“ (S. 7-19). Kurze Inhaltsangabe: Fähner, geachteter Arzt, lebt viele Jahre mit seiner Frau Ingrid zusammen. Er hatte ihr einst geschworen, sie nie zu verlassen, und erträgt ein ganzes Leben lang ihre Niedertracht, ihre Beschimpfungen und Demütigungen. Im Alter von 72 Jahren erschlägt er dann die Frau, gegen die er sich nie gewehrt hat, mit einer Axt. Das Urteil fällt wegen des guten Anwalts milde aus. Einstieg und Textlektüre: Man sollte die Geschichte entweder selbst vorlesen oder das Hörbuch dazu verwenden, den Text aber nicht vollständig lesen, sondern entweder vor der Tat oder nach der Tat abbrechen und die Schüler Vermutungen anstellen lassen (evtl. auch schriftlich als Form kreativen Schreibens): Wie wird sich Fähner jetzt verhalten, nachdem ihn seine Frau wieder einmal beschimpft hat? Wie wird der Prozess verlaufen? Erst danach sollten diese Fragen „aufgelöst“ werden. In einem weiteren Schritt werden die Ansichten des Rechtsanwalts und des Staatsanwalts geklärt und hinterfragt: Wie schätzt der Anwalt Fähner ein und warum hält er Strafe in diesem Fall für nicht sinnvoll? Nehmen Sie Stellung zur Haltung des Staatsanwalts, der sagt, „Fähner habe Alternativen gehabt, er hätte sich scheiden lassen können.“ (S. 16)Mögliche Lösung: Der Anwalt sieht Fähner als altmodischen Menschen, für den ein Eid höchste Bindungskraft hatte. Fähner reagierte nicht geplant, gezielt, sondern es gab eine Gewaltexplosion. Strafe sei in diesem Fall sinnlos, passe zu keiner der üblichen Theorien. Dem Staatsanwalt könnte man dagegen jedoch in mehrfacher Hinsicht zustimmen. Fähner ist ein intelligenter Mensch, er hat einen helfenden Beruf, es bestand (vgl. S. 7) Kontakt zu anderen Menschen, es ist nicht einzusehen, dass er sich diesem Eid derart verpflichtet fühlte, er hätte sich vorher befreien können und müssen. Auch ist heutzutage eine Scheidung keine Katastrophe mehr, und Fähner hätte von vielen Menschen Unterstützung bekommen, da seine Ehe allgemein als fatal eingeschätzt wurde. Vielleicht hat Fähner auch nur aus Schwäche und Bequemlichkeit so lange durchgehalten?

Alle hier rezensierten Werke von Ferdinand von Schirach

Gattung

  • (Kinder-) Kriminalliteratur, Thriller (Horror, Gruselliteratur)
  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

Erscheinungsjahr

2009

ISBN

9783492053624

Umfang

205 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch