Gilles Kepel: Die Spirale des Terrors. Der Weg des Islamismus vom 11. September bis in unsere Vorstädte

Besprechung

Der französische Islamwissenschaftler baut seine Theorie auf der These der einander gegenüberstehenden „Großen Erzählungen“ auf: die Erzählung vom Kampf gegen den Terror und die Erzählung vom Kampf der Märtyrer, vom Dschihad. Die Propaganda der Bush-Regierungen steht der von Al-Quaida in nichts nach. Erstere versucht Folter und Gefangenschaft ohne Gerichtsverfahren zu legitimieren, besonders augenfällig im Lager Guantanamo, die andere versucht, einen Zusammenhang zwischen den Kriegen in Irak, Afghanistan und Palästina und den Attentaten in Madrid, London und dem Mord an Theo van Gogh in Holland sowie dem Streit um die Mohammed-Karikaturen herzustellen. Hier steht Bush der Ägypter Ayman al-Zawahiri als Sprachrohr von Al-Quaida gegenüber. Kepel sieht beide Erzählungen als zum Scheitern bestimmt und als gefährlich an, da sie Brüche und Widersprüche enthalten und nicht von allen Mitglieder der jeweiligen „Lager“ getragen werden. Um den trotzdem brennenden Konflikt zu beenden, müsse Europa und der Nahe Osten „gemeinsam die Herausforderung der Kultur annehmen und durch eine Wiederbelebung des Mittelmeerraums Frieden und Wohlstand von der Levante bis zum Golf schaffen“. Das ist eine interessante These, die die Vermischung der Kulturen im Sinne eines friedlichen Miteinander voraussetzt. Fraglich ist jedoch, ob sich der Krisenherd dadurch nicht vom Mittelmeer nach Süden verschieben würde.