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Leif Randt: Allegro Pastel

Besprechung

Alles dreht sich um die eine Frage: Wie funktioniert Liebe heute? Tanja, Autorin eines Erfolgsromans, gerade dreißig, und Jerome, Webdesigner, fünf Jahre älter, führen eine moderne und sehr bewusste Beziehung. Sie leben an den Orten, die sie gewählt haben: Tanja in Berlin, Jerome in seinem früheren Elternhaus im Maintal, sie besuchen sich gegenseitig für verlängerte Wochenenden. Wenn sie geographisch getrennt sind, praktizieren sie eine kontinuierliche Kommunikation, per iMessages oder Mails, da hatten sie „keine Policies der Informationsvergabe vereinbart.“. So sehen sie an Ostern gemeinsam „Call me by your name“ und streiten, sehr zivilisiert, über den Film: „Der Streit zeigte, dass sie beide weiterhin eigene Gedanken und Perspektiven entwickelten und dass ihre Urteile nicht voneinander abhingen.“ Beinahe komisch wirkt ihre Selbstbeobachtung und -taxierung. Vor allem körperliche Performances, sei es Jogging oder Sex, werden genau beschrieben und bewertet: „In der Folge hatten sie leicht pathetischen Sex auf der Couch... Er würde ihren gemeinsamen Sex und den Planeten Erde einfach weiter beobachten.“ Die gefühlsmäßige Immersion in ihre Beziehung versuchen sie ebenso bewusst flach zu halten. Sie möchten Affektion und gegenseitige Fürsorge bewahren, ohne dass es zu bürgerlich oder zu schmerzhaft wird. Das gelingt ihnen über dreiviertel des Jahres 2018. Dann kommt es, wie es kommen muss: zuerst Tanja, dann Jerome haben andere Liebesgeschichten. Auch das kann die moderne Liebe nicht aus der Bahn werfen. Das Ende kommt auf die meist triviale Form: Als sie sich wieder annähern, erhält Jerome die Nachricht, dass er Vater wird. Trotzdem endet die Geschichte offen, man könnte es Hoffnung nennen, was Tanjas Schlusswort ausdrückt: „Ich vermute, unsere Leben sind noch lang. Lass uns das als Chance begreifen. Ich liebe dich – Tanja.“ Leif Randt schreibt aus der Sicht seiner Protagonisten – ganze Passagen ihres iMessage-Austauschs werden wörtlich wiedergegeben, einschließlich Emojis – und verwendet eine zeitgenössische Sprache, manchmal psychoanalytisch geprägt, manchmal mit englischen Begriffen untermischt: „nice“, „cute“, „Jerome hatte ihr Sentiment geteilt...“, „ (er war) cool damit“, „das klingt so future“ etc. Es ist nicht leicht zu beantworten, ob das realistisch gemeint ist oder eine gewisse Übertreibung kritische Distanz herstellen soll.

Didaktische Hinweise

Die Frage nach den Kriterien einer funktionierenden Liebesbeziehung und den Erwartungen der verschiedenen Generationen daran ergibt sich aus der Lektüre. Schon der Beginn des Romans lädt zum Nachdenken ein: Es handelt sich um eine Wiedersehensszene am Bahnhof, eigentlich eine klassische Liebesszene, was jedoch durch die Erzählperspektive und feine Unterschiede in der Darstellung konterkariert wird. Wäre eine Verfilmung unter Wahrung derselben subtilen Personendarstellung möglich? Ein Vergleich mit Sally Rooneys als Prototyp der Darstellung der Liebe der Millenials gehandelter Roman „Normal people“ liegt nahe, gerade auch wegen der unterschiedlichen Schwerpunkte: Randt bleibt ganz im privaten Bereich, während bei Rooney das soziale Gefälle eine wesentliche Rolle spielt.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Werteerziehung
  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783462053586

Umfang

280 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book