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Volker Weidermann: Ostende 1936. Sommer der Freundschaft

Besprechung

Im Mittelpunkt von Volker Weidermanns Roman „Ostende 1936. Sommer der Freundschaft“ steht die innige Freundschaft zwischen Stefan Zweig und Joseph Roth, der der Autor in seinem Buch besonderen Tribut zollt. Die beiden Schriftsteller treffen sich im Jahr 1936 in dem belgischen Badeort Ostende, wo sich in diesem Jahr noch weitere Schriftsteller wie Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Irmgard Keun, Ernst Toller oder Willi Münzenberg aufhalten. Man spaziert am Strand, verbringt den Nachmittag auf der breiten Seepromenade oder in einem der weißen Badehäuschen und speist zusammen im Café Flore. Die entspannte Stimmung in dem ruhigen Badeort ist jedoch nur vordergründig. Das scheinbar oberflächliche Geplänkel, bei dem es um Fragen geht, wer wem den Stoff für sein Buch gestohlen hat oder wer wem Geld schuldet, wird immer wieder durchbrochen von den persönlichen Eindrücken der Vertreibung der Schriftsteller aus ihrer Heimat, vom Publikationsverbot in Deutschland, von der drohenden Deportation und dem sich ankündigenden Krieg. Zweig und Roth, die sich schon seit gut zehn Jahren kennen und sich bewundernde, mitunter wütende Briefe geschrieben haben, geben in diesem Kreis das wohl eigenwilligste Paar ab: Der wohlhabende, kultivierte Stefan Zweig und der viel jüngere Joseph Roth, der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Ostjude, ein Trinker, der sich von Zweig aushalten lässt und sich in Irmgard Keun verliebt. Für die fiktive Ausgestaltung der Begegnung der beiden ungleichen Autoren hat der Autor, bis Mai 2015 Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), seither beim SPIEGEL und seit Oktober 2015 Moderator des wiederbelebten „Literarischen Quartetts“ im ZDF, zahlreiche Archive durchforstet, mit Biografen und den noch lebenden Verwandten der Schriftsteller Gespräche geführt und sich bei dem mittlerweile verstorbenen Literaturkritiker und Zweig- und Roth-Kenner Marcel Reich-Ranicki Rat geholt. Entstanden ist nicht nur eine liebevolle Hommage an zwei große Autoren und ihre Werke, sondern auch ein literarhistorisches Zeugnis über einen letzten, verzweifelten Versuch, das Leben zu feiern, bevor der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dazu führt, dass sie für immer ihre Heimat verlassen mussten. Mit seinem collagenartigen Roman knüpft Volker Weidermann an eine ganze Reihe von Romanen an, die in den letzten Jahren eine ähnliche Technik verwendet haben. Zu nennen sind hier „1913“ von Florian Illies, „1926. Ein Jahr am Rand der Zeit“ von Hans Ulrich Gumbrecht und „1812. Napoleons Feldzug in Russland“ von Adam Zamoyski. Gemeinsam ist diesen Romanen die Absicht, das Kleine im Großen zu erzählen.

Didaktische Hinweise

Da das Thema Exilliteratur nach wie vor einen besonderen Ort im Lektüreunterricht in der Oberstufe ausmacht, können interessierte Schülerinnen und Schüler von der Lektüre des Romans durchaus profitieren. Als Ganzschrift für den Unterricht eignet er sich jedoch weniger. Es ist aber denkbar, zusammen mit den Schülerinnen und Schülern einen Ausschnitt aus dem Roman zu lesen, um ihnen die Stimmung, die unter den Exilautoren gerade in den Jahren nach Hitlers Machtergreifung bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs herrschte, zu verdeutlichen. Motivierend und lohnend kann auch ein Unterrichtsprojekt sein, bei dem die Schülerinnen und Schülern die Schreibtechnik des Autors imitativ nachvollziehen, indem sie selbst Tagebuchnotizen bekannter Autoren fiktiv ausgestalten.

Alle hier rezensierten Werke von Volker Weidermann

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2014

ISBN

9783462046007

Umfang

157 Seiten

Medien

  • Buch