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Antonio Penacchi: Canale Mussolini

Besprechung

Der aus Latina, einer unter dem faschistischen Regime nach dem Rutenbündel ursprünglich Littoria genannten Retortenstadt stammende Autor erzählt in weiteren und engeren Schlaufen die Geschichte des Familienclans der Peruzzi, Kleinbauern aus dem Veneto, und damit ein Epos von Aufkommen und Untergang des Faschismus in Italien. Am Anfang seien alle, auch Mussolini, Sozialisten gewesen, die glaubten, den Reichen das Land wegnehmen zu können, das den Armen gebührte, so der Erzähler, ein jüngerer Spross der Familie, sich an einen unbestimmten Adressaten wendend, vor dem er sich manchmal rechtfertigt, dem er zuweilen ironisch zuzwinkert. Die Familie Peruzzi bleibt bis zum letzten Kampf mit den Alliierten, den sich eine Tante liefert, faschistisch. Damit man das ein wenig verstehen kann, erklärt Penacchi: Die armen Bauern aus dem Norden Italiens werden in das Gebiet der früheren pontinischen Sümpfe umgesiedelt, das durch den Ausbau eines Kanals trockengelegt und von der tödlichen Malaria befreit worden ist, und erhalten südlich von Rom Land und neugebaute Häuser. Dass sie damit ihrer Heimat und ihrer Sprache beraubt werden, nehmen sie hin, weil sie sonst keine Überlebenschance gehabt hätten. Es ist ein schwieriges Zusammenleben zwischen den „Cispadianern“ und den „Marokkanern“, wie sie sich gegenseitig nennen. Eine junge Frau aus den Bergen, die einen Peruzzi, also einen aus dem Norden, heiratet, bleibt spektakuläre Ausnahme. Die bunte Chronik erinnert bisweilen an G.G.Marquez. Ein immer wiederkehrender Traum von einem dunklen Mantel und die Botschaften der Bienenvölker ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Der selbst über Neofaschismus und Linksextremismus zu einer reflektierten Grundhaltung gekommene Autor nimmt ein kaum aufgearbeitetes Thema auf: die Geschichte Italiens außerhalb der Resistenza. Er zeigt, weshalb Mussolini so viele Anhänger fand: er löste spätfeudale Strukturen auf, sichtbar im Romane unter anderem an dem viel zu niedrigen Preis, den der Graf Vila Zorzi für die Ernte der Bauern zu zahlen bereit war, und verhalf dem dritten Stand zu einem selbstbestimmten Arbeitsleben. Gleichzeitig macht sich Penacchi lustig über faschistische Rhetorik und die Auftritte des Diktators. Das mag einem deutschen Leser gruselig vorkommen, aber den italienischen Faschismus karikiert der Autor ohne ihn zu verharmlosen. Dafür sorgen die schlimmen Geschichten über die jungen Männer, die in Afrika, Russland und Griechenland fallen.

Didaktische Hinweise

Für den Italienisch-Unterricht ist eine Betrachtung der Originalfassung interessant: die Unterschiede zwischen der Sprache des Latium und dem Italienisch des Veneto werden dort greifbar und spielen eine erzählerisch bedeutende Rolle, wenn es um die Entwurzelung geht. Auch sind in der deutschen Fassung viele Stellen gestrichen, insgesamt etwa 20 Seiten (SZ vom 15.02.2012), und man kann nachforschen, warum das geschah.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte
  • Italienisch

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783446238602

Umfang

446 Seiten

Medien

  • Buch