Tim Winton: Atem

Besprechung

Der anfänglich 11-jährige Bruce Pike ist fasziniert vom Reiten auf den Wellen am Strand seines Heimatortes an der Westküste Australiens. Zusammen mit Loonie, seinem vom Surfen noch viel stärker besessenen Schulfreund, lernt er eines Tages Sando, einen mehr als 20 Jahre älteren Surffreak kennen, der sein ganzes Leben dem Surfsport widmet. Zusammen sind die drei mehrere Jahre lang auf der Suche nach der perfekten Welle und begeben sich im Zuge dieser Suche in immer bedrohlichere lebensgefährliche Situationen. Als Loonie zusammen mit Sando eine Surftour nach Bali unternimmt, ohne Bruce vorher Bescheid zu sagen, da dieser beim Surfen nicht genug Risikofreude zeigt, verändert sich das Verhältnis zwischen den beiden Schulfreunden: Mit der voranschreitenden persönlichen Entwicklung driften die beiden in ihren Lebensvorstellungen auseinander. Der Roman geht unter anderen der Frage nach, was Leben überhaupt ausmacht. Insofern handelt es sich durchaus um ein philosophisches Buch. Das Leben an sich wird beispielsweise vom Ich-Erzähler Bruce als ein pausenloses Atmen, ja als „Kapitulation vor der biologischen Routine“ (S. 47) bezeichnet. Beim Surfen – und das ist sicherlich der eigentliche Reiz für Bruce und seine Freunde – gelingt mitunter eine Durchbrechung dieser Kapitulation, da dieser Nervenkitzel durchaus Atemlosigkeit provoziert. Und dies geschieht stellenweise sogar in lebensbedrohlicher Weise, nämlich dann, wenn der Ich-Erzähler oder auch seine Freunde gelegentlich von einer der Monsterwellen verschluckt werden. In sprachlich beeindruckender Weise konfrontiert der Roman den Leser mit der Lebenswirklichkeit zweier Jugendlicher, die auf der Suche nach sich selbst sind. Diese Sinnsuche gelingt in sehr authentischer Weise. Winton beherrscht sein Handwerk.