mobile Navigation Icon

#lesen.bayern » Bücher für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene » Besprechungen Belletristik » Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Günter Grass: Katz und Maus. - Mit [12] Bildern von Jacky Gleich und einem Nachwort von Volker Neuhaus

Besprechung

Nach Grass‘ (Jahrgang 1927) zu spätem Bekenntnis vom 12.08.2006, als Jugendlicher freiwillig Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, während die bisherige Biographie den Nobelpreisträger als zwangsverpflichteten Flakhelfer darbot, wird die vom Ich-Erzähler Pilenz berichtete Geschichte des frühreifen Gymnasiasten Joachim Mahlke mit seinem übergroßen Adamsapfel (Maus) und seiner übermächtigen Onanierpotenz auf ein neues Interesse im Deutschunterricht stoßen, nachdem die Novelle in den letzten Jahr(zehnt)en zu Unrecht in die Reihe der zwar `kanonisierten´, aber kaum mehr gelesenen Texte abgesunken war. Die sexuellen Spiele der Knaben im Beisein von Tulla Pokriefke im Danziger Stadtbad und im Hafen auf und vor dem gesunkenen U-Boot stehen längst nicht mehr unter Pornographieverdacht, sondern können eher gelesen werden als Pendant zu seiner Schwimmleistung, beim Sport allgemein und bei der Rekordzahl von Panzerabschüssen, die Mahlke als Unteroffizier das Ritterkreuz einbringen, mit der er sich die Anerkennung und Rehabilitierung seiner ehemaligen Schule ertrotzen möchte. Die Rede in der Aula wird dem Schulversager verweigert, da er einem Musterschüler, der als Kaptänsleutnant hochdekoriert an sein Gymnasium zu Besuch kommt, das Ritterkreuz entwendet und deshalb von der Schule verwiesen wird. Da die gestörte Ordnung nicht wiederhergestellt werden darf, nimmt der Große Mahlke nochmals Zuflucht zu seiner Marienfrömmigkeit, die ihm trotz Begehrlichkeiten den Bezug zu jeder Frau verwehrt, verweigert er durch Überschreiten des Heimaturlaubs die miltärische Ordnung und zieht sich in seine Kappelle im U-Boot zurück, wo er verschwunden bleibt. Auch als Pilenz ihn 1959 bei einem Ritterkreuzträgertreffen in Regensburg sucht, will Unteroffizier Mahlke „nicht auftauchen“.

Didaktische Hinweise

Die wohlfeile Leseausgabe wird angereichert durch 12 Bilder von Jacky Gleich, die weitgehend illustrativen Charakter haben, auch bei der Onanierszene auf dem Schiff (S. 44), und kaum neue Interpretamente für den Unterricht hinzufügen. Wünschenswert wäre eine behutsame Kommentierung der zeitgeschichtlichen Termini im Partei- und Militärjargon. Volker Neuhaus hingegen verwendet die Hälfte seines sechsseitigen Nachwortes auf die Zurückweisung des Pornographieverdachtes der prüden Nachkriegszeit. Anregender sind die folgenden Zuweisungen zu den bekannten „Schülergeschichten“ bei Musil, Th. Mann und Hesse sowie zu den Clown-Erlöser-Geschichten, die bei Grass im Titel und im Bild des Ritterkreuzes gipfeln. Die Beschreibung des Textes als perfekte Novelle ist hilfreich für den Unterricht. Der Schlussgedanke von Grass als Schulversager, der wusste, wovon der in dieser Novelle schrieb, wird nach dem Erscheinen von Grass‘ Erinnerungsbuch „Beim Häuten der Zwiebel“ (2006) und dem damit verbundenen Literaturskandal von anderen Deutungsansätzen überlagert und dominiert werden. Hoffentlich sind nicht bereits erste Interpreten zur Entlastung des egozentrisch-anmaßenden Großliteraten, dessen vielfältige Verdienste um die deutsche Literatur seit dem Erscheinen der Danziger Trilogie nicht bestritten werden sollen, nun auf der Suche nach einem Deutungsmuster, nach dem Mahlke & Co das frühe literarische Geständnis des Autors Grass über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS sei, der nun nach 60 Jahren der biographische Klartext folgt.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2001

ISBN

9783423622768

Umfang

192 Seiten

Medien

  • Buch