Joseph Roth: Radetzkymarsch

Besprechung

In der Schlacht bei Solferino 1859 rettet ein Trotta dem Kaiser das Leben. Er wird zum Dank geadelt und noch auf seinen Nachkommen ruht das herrscherliche Wohlwollen. Der „Held von Solferino“ fungiert von nun an als Lesebuchheld und Vorbild für Sohn und Enkel. Der nächste Trotta, Bezirkshauptmann in Mähren, ist ein pflichtbewusster Beamter, der alle dazugehörigen Tugenden verinnerlicht hat. Streng und distanziert erzieht er seinen Sohn Carl Joseph, den eigentlichen Helden des Romans. Von Anfang an zum Soldaten erzogen, führt Carl Joseph das übliche Offiziersdasein mit Liebschaften, Duellen, Schulden, Stationierung in entlegenen Grenzgarnisonen u. Ä. . Bei dem sensiblen jungen Mann führt dieses öde Leben zu Todesahnungen und Schuldgefühlen, da er zunehmend die Sinnlosigkeit seines Lebens, des Militärs und der dahinter stehenden Lebensordnung erkennen muss. Es gelingt ihm nicht, innerlich zur Ruhe zu kommen, kurz nach Kriegsausbruch fällt er. Sein Vater, der alte Bezirkshauptmann, erlebt noch kurz vor seinem eigenen den Tod des alten Kaisers 1916 mit. Mit der Familie Trotta stirbt auch das Habsburgerreich. Roth gelingt es, den Untergang einer Epoche in melancholischer Verklärung darzustellen. Von zahllosen Motiven und Symbolen durchdrungen, bildet der Roman ein vielschichtiges Geflecht, das über eine reine Familiengeschichte hinausgeht. Unterschiedlichste Figuren - der bäuerliche Ahnherr der Trottas, der jüdische Regimentsarzt, ein polnischer Graf usw. - repräsentieren den Vielvölkerstaat und verweisen auf seine Brüchigkeit.