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Seita Parkkola: Wir können alles verlieren oder gewinnen

Besprechung

„Galgenmännchen“ ist ein harmloses Buchstabenspiel. In Taifuns neuer Schule, dem „Haus der Möglichkeiten“, ist dem nicht so. Dort steht das Galgenmännchen für ein Bestrafungssystem. Wenn ein Schüler gegen eine Regel verstößt, wird sein Galgen ergänzt. Jedem vollständigen „Hangman“ folgt eine Strafe. Taifun weiß noch nichts über das Bestrafungssystem, als er als Neuzugang in die sechste Klasse aufgenommen wird. Mit seinem Hintergrund als gedankenloser Junge, der gern ausreißt, Dinge kaputtmacht und Graffiti sprüht, gilt er als prädestiniert für die Schule und ihre „moderne“ Pädagogik. Fast klar, dass Taifun sehr schnell mit dem Bestrafungssystem an seiner neuen Schule Bekanntschaft macht. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, seine letzte Chance zu nutzen. Doch die Regeln und Kontrollen sind für Taifun nicht einhaltbar: Sein heiß geliebtes Skateboard muss er abgeben. Es wird in einer Glasvitrine gut sichtbar weggesperrt. Denn Richtlinie der Schule ist es, dass jeder Schüler seine bisherigen Freunde, die Kontakte zur alten Schule und seine Hobbys aufgeben muss. „Das Haus der Möglichkeiten“ regelt fortan alle Kontakte und Aktivitäten. Hinter den Möglichkeiten und Chancen steht letztlich ein totalitäres System. Wer sich trotz der Strafen nicht einzuordnen weiß und den Gehorsam verweigert, landet wie „India“ im „Haus der Verlorenen“. Über „India“ will an der Schule niemand sprechen. Doch mehr oder weniger zufällig lernt Taifun das geheimnisvolle Mädchen kennen. Ein nahegelegenes, verfallenes Fabrikgelände dient „India“ mit ihrer Gruppe von Ausreißerkindern und bald auch Taifun als Abenteuerspielplatz. Dort hat er die Freiheit, die ihm an der Schule systematisch genommen wird. Nach weiteren Bestrafungen glaubt an der Schule kaum noch ein Schüler daran, dass Taifun es im „Haus der Möglichkeiten“ schaffen könnte. Als auch noch Taifuns Eltern verschwinden, wird für ihn die Situation unerträglich. Er flieht zu India und ihrer Gruppe. Soll er alles aufs Spiel setzen und dem Mädchen vertrauen? Welche Alternative hat er? Doch eine echte Chance gibt es, um alles zu gewinnen oder zu verlieren ... Ein erschreckendes Buch über ein totalitäres Schulsystem. Nicht nur Jugendlichen, sondern auch Lehrern und Eltern sollte es zu denken geben. Die Autorin Seita Parkkola lebt in Turku (Finnland), wo sie Kinder in Kreativem Schreiben und Fotografie unterrichtet. Die finnische Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel „Viima“. Die Übersetzung besorgte Elina Kritzokat.

Didaktische Hinweise

Das „Haus der Möglichkeiten“ ist eine Art „Letzte–Chance-Schule“ für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche. In der Schule gelten spezielle Regeln, die aus Schülersicht diskutierbar sind: Schüler müssen alle früheren Kontakte und Hobbys aufgeben. Dazu verpflichten sie sich auch vertraglich mit ihrer Unterschrift; Regelverstöße werden in Galgenbergen gesammelt und führen zu Strafen; die Strafen sind gestaffelt, erst wird dem Übertreter eine Dauerkontrolle, genannt Freund/Freundin, zur Seite gestellt. Im zweiten Schritt wird der Schuldige öffentlich vor allen Schülern mit einem Abzeichen markiert, das ihn zu Freiwild erklärt. Der Schüler weiß vorher nicht, welche Strafen auf ihn zukommen können. Ein entsprechendes Belohnungssystem als Gegengewicht wird nicht dazu aufgestellt. Übergeordnet stellt sich in diesem Kontext die Frage nach der Bandbreite von Erziehungsstilen bzw. von alternativen Schultypen (nach Pädagogen wie Maria Montessori oder Rudolf Steiner) und deren Für und Wider. Konkreter ist diskutierbar, welche Gründe es für Verhaltensauffälligkeiten von Schülern gibt und wie Schulen mit verhaltensauffälligen Schülern umgehen und anders umgehen könnten. Auch wenn Taifun 12 Jahre alt ist, ist die Lektüre eher in höheren Jahrgangsstufen empfehlenswert. Denn die angeführten Strafen, die angeblich Chancen für die Schüler sein sollen, die fiesen Mobbingmethoden der Mitschüler und die fast groteske Ausgestaltung der Straflevels verlangen zum Verständnis ein entsprechendes Abstraktionsvermögen. Realität und Fiktion liegen sehr dicht nebeneinander. Dies zu erkennen bedarf eines gewissen Differenzierungsvermögens, von dem ab der 7./8. Jahrgangsstufe auszugehen ist. FÜEZ: Ethik, Religion, Geschichte

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 7 bis 8

Fächer

  • Deutsch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783407820136

Umfang

324 Seiten

Medien

  • Buch