Giuseppe Fava: Ehrenwerte Leute

Besprechung

Nachdem die Junglehrerin Elena am ersten Tag in ihrer neuen Gemeinde auf dem Marktplatz von einem Mann belästigt wurde, wird dieser am nächsten Tag tot aufgefunden. Auch andere Morde in Elenas Umfeld geschehen, die immer mehr den Eindruck erwecken, dass Elena von einer Macht beschützt wird, die die gesamte Gemeinde fest im Griff hat. Schon nach wenigen Tagen wird sie so zu einem geachteten Mitglied der ängstlichen Dorfgemeinschaft. Sie versucht ihren Einfluss bei sozialen Projekten geltend zu machen, wird aber immer mehr von der Frage verfolgt, was sich eigentlich hinter der ruhigen Fassade der armen, aber friedlichen Gemeinde abspielt. Hat der alte Rechtsanwalt damit etwas zu tun? Der Polizist? Der Untersuchungsrichter? Sicher ist nur eines: Dunkle Mächte sind am Werk, die das Zusammenleben der Menschen vergiften. Das muss Elena auch schmerzvoll am eigenen Leib erfahren, als auch die erotische Liebesbeziehung zu einem Lehrerkollegen an der undurchdringbaren Wand des Schweigens zerbricht. Zum Schluss sieht Elena ein, dass sie nur die Rolle einer Marionette gespielt hat. Die Morde werden nie aufgeklärt. Elena steht schließlich mit gepacktem Koffer an der Bushaltestelle und muss sich entscheiden: Bleiben oder Gehen. Das Ende bleibt offen.

Die dichte, bedrückende Atmosphäre des von Peter O. Chotjewitz aus dem Italienischen übersetzten Romans begleitet den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Die Sprache ist nüchtern und direkt, auch die sexuellen Handlungen des Liebespaars werden explizit beschrieben. Die Geschichte trägt teilweise kafkaeske Züge. Sie wartet weniger mit Fakten über mafiöse Strukturen auf, sondern beschreibt vielmehr überzeugend und eindringlich den vergifteten Alltag in einer Gemeinde, die von der Mafia regiert wird. Der Autor Giuseppe Fava wurde 1984 von der Mafia vor seinem eigenen Theater ermordet, nachdem er dort ein Anti-Mafia-Stück aufgeführt hatte.