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Salim Alafenisch: Die Nacht der Wünsche

Besprechung

Der mächtige Sultan – er lebte vor langer, langer Zeit und sein Leben war ein einziges Habenwollen: Reich, Besitztümer, Untertanen, Frauen. Sein Harem bestand, so heißt es, aus so vielen Frauen, wie das Jahr Nächte hatte. Und doch war er nicht zufrieden mit seinem Los: Irgendetwas fehlte ihm immer, und sei es die Wachtel, die er zu verspeisen pflegte, bevor er zu einer Frau ging. Doch Zarah, die jüngste seiner Haremsdamen, unternimmt es, ihren mürrischen Herrn aus seiner Verirrung zu lösen. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, erzählt sie ihm zu Beginn ihres abendlichen Beisammenseins von der „Nacht der Wünsche“. Wer diese Nacht erlebt, der hat drei Wünsche frei, die ihm Allah erfüllen werde. Unter diesem Leitmotiv reiht sie eine ganze Perlenkette märchenhafter, teils heiterer, teils ernster, bisweilen auch blutrünstiger Geschichten aneinander, vielfach auch mit einem kräftigen Schuss Erotik gewürzt. So entführt sie den Sultan – und den Leser – in die geheimnisvolle Welt des alten Orients, zu den Bauern, den Beduinen und den städtischen Händlern, mit ihrem Leben, ihren Erfahrungen und ihrer Weisheit. Und in der Tat stellt sie mit ihren fantasievollen, aber vor allem lehrreichen Erzählungen sein ganzes Denken, Fühlen, Urteilen, ja sein ganzes Leben auf den Kopf. Der Sultan lernt allmählich andere, ihm völlig fremde Daseinsformen und Lebensentwürfe kennen. Und Zarah zieht ihn mit ihren Geschichten immer tiefer hinein in das einfache Leben der einfachen Menschen. Sie lässt schließlich die ihnen ans Herz gewachsenen Pflanzen zu Wort kommen und ihr Leben erzählen: die Palme des Nomaden, den Olivenbaum des Bauern, den Weinstock des Weinhändlers.

Zutiefst beeindruckt bestimmt der von ihr und ihren Geschichten faszinierte Sultan Zarah, „eine kluge und mutige Frau“, zu seiner Nachfolgerin. Auch sie hat sich ja in der „Nacht der Wünsche“ die Augen öffnen lassen für das wirkliche Leben. So ging ihr Wunsch in Erfüllung, die Sprache der Pflanzen zu verstehen und damit die unbekannte und verkannte Kreatur. Dieses ganzheitliche Verstehen überträgt sich jetzt auf den Sultan. Aus dem raffgierigen Herrscher wird ein humaner, milder Mensch. Zarah darf nach seinem Wunsch das Urteil über die drei Männer sprechen, die in die königlichen Gärten eingedrungen sind und festgenommen wurden. Sie und der Sultan erlauben nun dem Beduinen, seine ihm geraubte Palme aus den königlichen Gärten wieder mit nach Hause zu nehmen, ebenso dem Bauern seinen Olivenbaum und dem Weinhändler seinen Rebstock.

Die locker verknüpfte Kette von Erzählungen zieht den Leser immer tiefer in die archaische Welt des alten Orients mit seinen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen hinein, die stets weise Erfahrungen und Überlebensstrategien festhalten. Zarah gelingt es gerade als Frau, das Potenzial des Kreatürlichen zu wecken und dem auf Oben und Unten fixierten Sultan so Menschlichkeit zu vermitteln. Frei nach dem Urmodell der „Geschichten aus 1000 und einer Nacht“ gelingt es Salim Alafenisch die orientalische Erzähltradition mit einem modernen emanzipatorischen und fast ökologischen Sinngehalt zu füllen. Der Autor ist ein Meister dieser Erzählkunst, deren Entschleunigungskraft allerdings nur wirksam wird, wenn der Leser sich bereitwillig darauf einlässt.

Didaktische Hinweise

Ein empfehlenswerter Titel für interessierte und aufgeschlossene Oberstufenschüler und -schülerinnen, aber vor allem Erwachsene, die auf der Suche sind nach einer bereichernd-informativen Lektüre zur Migrationsproblematik.

Gattung

  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783293205451

Umfang

279 Seiten

Medien

  • Buch