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Georges-Arthur Goldschmidt: Ein Wiederkommen

Besprechung

Der 18-jährige Arthur Kellerlicht reist im Zug nach Paris. Er hat einen Teil des Abiturs in seinem Internat in den Alpen nicht bestanden und soll es nun nachholen. In Paris wohnt er bei einer Verwandten und besucht die Schule als Externer. Nach und nach erfährt man, dass seine jüdischen Eltern den damals Zehnjährigen aus Nazi-Deutschland nach Frankreich geschickt haben, um ihn zu schützen. Beide sind inzwischen tot, der Vater, der nach Theresienstadt gebracht worden war, „verurteilt einfach, weil er geboren war“, dort als Seelsorger protestantischer Juden wirkte und 1945 befreit wurde. Die Gedanken des jungen Mannes kreisen um eines: das Gefühl, als Jude und als Mensch „geburtsschuldig“ zu sein und das Leben nicht verdient zu haben. Darüber hinaus sind ihm Schuldgefühle im Internat anerzogen worden, die mit jeglicher körperlicher Berührung einhergehen. Daher evoziert er diese immer wieder und verbindet sie mit seiner Existenz als Emigrant, als Überlebender. Eine stets wiederkehrende Phantasie ist es, sich selbst nackt zur Züchtigung ins Zimmer zu rufen, eine Demütigung, die zugleich erregend ist und neue Schuldgefühle erzeugt. Er ist sein eigener Beobachter. Gleichzeitig betrachtet er von ferne mit sehnendem Begehren die Welt, die Menschen, vor allem Mitschüler und junge Lehrer, aber selten hat er eine nähere Beziehung zu ihnen. Zurückgezogen lebt er in einer Kammer. Am Ende reist Arthur wieder im Zug, ein Leitmotiv der Erzählung, in deren Hintergrund Deportation und Shoah immer präsent sind. Dieses Mal fährt er nach Deutschland, nach Reinbek, um seiner Schwester den Gefallen zu tun, auf sein Erbe zu verzichten. Das fällt ihm nicht schwer, da er nicht nach Deutschland zurückkehren will, aber der Verlust von Heimat und Familie ist nun endgültig. „Schon am Willkommensgruß erkannte er, daß er nicht dazugehörte, er war ein Besucher und nicht unbedingt erwünscht“. Der zweisprachige Goldschmidt hat seine Erzählung, die 2011 unter dem Titel „L'esprit de retour“ in Frankreich erschienen ist, eigentlich selbst übersetzen wollen - und dabei schließlich auf der Basis der französischen Fassung neu geschrieben.

Didaktische Hinweise

Ein Vergleich der beiden Fassungen des Autors bietet sich an. Man muss als Lehrer allerdings wissen, dass immer wiederkehrende Motive im Zusammenhang mit der Schuld die Erotik, die Homosexualität und die Selbstbefriedigung sind: Arthur sieht sich als der unnütze Esser, Bettnässer, Onanist, Lügner, Brotdieb“, der vor Leben strotzte, „wo doch Millionen andere, ohne etwas je getan zu haben, einfach ausgerottet worden waren, vergast ...“. Der sprechende Name im Zusammenhang mit dem Dasein im Dunklen sowie die Leitmotiv-Technik und der Erzählstil sind eine Untersuchung wert.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Französisch
  • Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783100278258

Umfang

191 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book