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Yishai Sarid: Siegerin

Besprechung

Unerwartete Gefühle bedrängen eine Psychologin, die Soldaten des israelischen Militärs aufs Töten vorbereitet. Dieser Roman hat in Abigail eine unzuverlässige Ich-Erzählerin. Schon im ersten Abschnitt einer Art Selbstgespräch spürt man, dass sie eine Enttäuschung überspielt. Der Generalstabschef Rosolio hat sie nicht zu seiner Amtseinführung eingeladen. In der vorletzten Szene des Buchs ist er pensioniert, sie treffen sich ein letztes Mal und Abigail geht ohne Abschied. Doch ist es keine Liebesgeschichte, der wir folgen. Obwohl Rosolio der Vater von Abigails einzigem Sohn Schauli ist. Sie hat sich dieses Kind ertrotzt, Rosolio ist verheiratet und hat selbst Kinder, ihre private Beziehung blieb eher unbestimmt, die Identität des Vaters hat sie nicht einmal ihrem Sohn enthüllt. Abigail ist Psychologin und Expertin für militärische Fragen, genauer gesagt ist es ihre Aufgabe, die Soldaten des israelischen Militärs zu befähigen, Feinde zu töten, ohne in Zweifel oder Mitleid zu verfallen und Traumata davonzutragen oder sie zu überwinden. Ihr Vater ist Psychoanalytiker und lehnt die Tätigkeit seiner Tochter vehement ab. Er liebt seinen Enkel sehr, jedoch ist er zu krank, um ihn davon abzuhalten, seine Grundausbildung bei den Fallschirmjägern zu machen. Während Abigail Soldaten auf einem Einsatz begleitet und, um sich gegen den Widerstand gegen das Töten abzuhärten, selbst auf einen Menschen schießt, zieht ihr Sohn in den Krieg. Abigails Liebhaber sind meist frühere Patientinnen und Patienten, auch Noga, eine junge Soldatin, gehört dazu. Als sich eine lesbische Beziehung zu ihr anbahnt, stirbt Abigails Vater und Israel startet unter Führung des Generalstabschefs eine Überraschungs-Offensive. Abigail wird zu Rosolio gerufen, der ihr seine Albträume gesteht. Schauli gerät mitten ins Kriegsgeschehen und nun erlebt auch Abigail, was sie anderen nicht erlauben wollte: nackte Angst um das Leben ihres Kindes. Als Schauli eine Panikattacke erleidet und sie bittet, ihn aus dem Grauen der Kämpfe abzuholen, reagiert sie wie eine Mutter und nicht wie die Militärpsychologin und entfernt sich damit endgültig von Rosolio, der dafür sorgt, dass Schauli seinen Einsatz beendet. Schauli löst sich vom Dienst an der Waffe und seinen Eltern, indem er größtmöglichen Abstand herstellt und eine Weltreise macht.

Didaktische Hinweise

Selten trifft man auf Ich-Erzähler, durch die der Leser so unverblümt in die Irre geleitet wird. Man erlebt die Geschichte aus der Sicht einer Siegerin, einer selbstgewissen, eiskalten Spezialistin des Tötens, als die sie gegenüber Offizieren und Soldaten auftritt, spürt aber zwischen den Zeilen ihre niedergekämpften Zweifel, folgt der Ablehnung der Haltung ihres Vaters, merkt aber zunehmend, dass sie einen schwachen Punkt hat. Ein Vergleich mit dem noch extremeren „La perfection du tir“ von Mathias Enard ist interessant, wo der Leser beinahe vollkommen in die Perspektive eines Scharfschützen gezogen wird und die „Lust am Töten“ noch näher kommt. Die Etymologie des hebräischen Namens Abigail und der Titel dienen als Anhaltspunkte für eine Analyse.

Die jungen Leserinnen und Leser können sich mit Schauli identifizieren, der Schwäche zeigt und doch weiterkämpft, weil sein Vater es will, dann aber das Militär und seine Mutter verlässt. Der Autor beschäftigt sich in seinem Werk mit der Shoah, hier geht es um das Israel der Gegenwart, im Hintergrund steht die Frage: Was ist der Preis, den die Nachgeborenen zahlen, damit Israel „nie wieder“ besiegt werde, wie sie es in der Nationalhymne singen?

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Englisch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Medienbildung/Digitale Bildung
  • Interkulturelle Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783036958408

Umfang

254 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book