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Hamed Abdel-Samad: Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland

Besprechung

Abdel-Samad beginnt mit der Landung in Deutschland 1995. Der 1972 geborene Ägypter hatte drei Jahre vorher eine Deutsche, Antonia, kennen gelernt, zu der er zieht. „Ich spielte den frommen Muslim und gab vor, nur mit meiner Ehefrau im gleichen Bett schlafen zu können“ (S. 21). Sie heiraten rasch nach seiner Ankunft. Er fühlt sich aber in Deutschland in allem fremd, gleichwohl kostet er in der neuen Freiheit mehr und mehr die „verbotenen Früchte“ (S. 61). Aus seinen ungeschönten Beschreibungen wird ein anfangs egozentrisches Verhalten gepaart mit Selbstmitleid offenbar. Es gelingt ihm kaum Kontakte zu Deutschen zu knüpfen. Einmal wendet er sich den Muslimbrüdern zu, einmal den Marxisten. Innerhalb von zehn Jahren begibt er sich zweimal in psychiatrische Behandlung. Glücklich ist er nur mit Connie, einer Deutsch-Japanerin, der er dieses Buch auch gewidmet hat.

Durchbrochen werden die Erlebnisse in Deutschland von einer umfassenden Schilderung seiner Kindheit und Jugend in Ägypten. Der Vater ist Imam, der vom Krieg gegen Israel gebrochen wurde, seine Frau verprügelt und Drogen konsumiert. Sein Sohn und seine Schwester werden beschnitten. Abdel-Samad hinterfragt den Islam sowie die politischen und gesellschaftlichen Zustände in seiner Heimat und lässt Raum für Kritik. Erschreckend ist die Schilderung einer Vergewaltigung, die er mit vier Jahren in Ägypten erlebt hat. Eine weitere kommt später hinzu. Der Autor formuliert die Intention seines Buches selbst: „Mein Anliegen ist es lediglich, die Widersprüche meines Lebens zu verstehen. 'Abschied vom Himmel' ist ein Abschied von einem Gottesbild, das ich ablehne: ein erhabener, wütender Gott, der nicht nach seinem Handeln gefragt werden darf und dennoch die Menschen für ihre Fehltritte bestraft“ (S. 311). Das Buch entwirft keine durchgehende Biographie. Es fehlen Stationen, die den Autor in Deutschland beruflich Fuß fassen lassen und seinen beachtlichen Erfolg begründet haben. Im Vordergrund stehen Gedanken und Innenleben des Autors: die Identitätssuche in Deutschland, seine Glaubenskonflikte und die damit verbundene Kritik am Islam.

Didaktische Hinweise

Als Ganzschrift für den Unterricht oder zur Anschaffung für die Schulbibliothek ist das Buch nicht zu empfehlen. Zum einen lässt der Untertitel einen anderen Inhalt erwarten, es geht nicht konkret auf Unterschiede in der Lebensweise der verschiedenen Kulturen ein. Zum anderen hat Hamed Abdel-Samad sehr offen geschrieben, sodass das Werk auch einige Passagen enthält, die Schülern ein fragwürdiges Bild von muslimischen Ausländern vermitteln könnten. Dazu zählt, dass Abdel-Samads muslimische Bekanntschaften oft vorgeben, gut in Deutschland integriert zu sein, um entsprechende öffentliche Vergünstigungen zu erhalten. In privaten Gesprächen äußern sie jedoch Verachtung für die hiesige Gesellschaft. Verstören würde des Weiteren die Schilderung der Vergewaltigung, die der Autor im Alter von vier Jahren und später noch einmal erfahren hat, ebenso wie seine mehrmals geschilderte sexuelle Erregung angesichts von kleinen Jungen. Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 bei Kairo, studierte Englisch, Französisch, Japanisch und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel-Samad ist Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und zählt zu den profiliertesten islamischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Biografien, Autobiografien, Porträts

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Interkulturelle Erziehung
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

Erscheinungsjahr

2009

ISBN

9783771644192

Umfang

312 Seiten

Medien

  • Buch